Es gibt Krankheiten, die überraschen einen. Eine Kehlkopfentzündung zum Beispiel. Ich hatte sie noch nie. Plötzlich war sie da – und mit ihr die Stille. Keine Stimme mehr. Nur noch Zettel, Stift und krächzende Versuche, mich irgendwie verständlich zu machen.
Die erste Zeit ohne Stimme
Die schriftliche Krankmeldung war noch einfach. Schwieriger war es beim Arzt.
Die Arzthelferin las meinen zuhause vorbereiteten Zettel mit meinen Beschwerden. Sie lächelte und sprach dann extra laut mit mir:
„Da muss mal einer reingucken in den Hals!“
Die Ärztin wiederum hatte den Zettel gar nicht vor sich und fragte mich nach meinen Beschwerden. Ich konnte nur heiser flüstern, sie verstand kaum ein Wort. Eine Woche Schweigen und Medikamente lautete das Rezept.
Zuhause war mein Partner zunächst überfordert. Nach über dreißig Jahren Ehe schrieb ich ihm plötzlich wieder Zettel. Doch bald hatte er sich daran gewöhnt und fand sogar rechtzeitig seine Brille, um meine Botschaften zu lesen.
Ich wurde mutig-aber was musste ich erleben
Als es mir besser ging, fuhr ich in die Stadt. Bei Woolworth war mein Stummsein kein Problem, dort kam man gut klar. Auf dem Markt allerdings war es anders. Ich wurde behandelt, als wäre ich entweder dumm oder taub – beides schien möglich. Manche Menschen sprachen plötzlich ganz leise, andere ganz laut. Wieder andere winkten nur ab.
Am Würstchenstand bekam ich mein Würstchen ohne Brötchen, in Papier gewickelt. Beschweren konnte ich mich ja nicht. Beim Bäcker hörte die Verkäuferin mein Gekrächze, drehte sich um und fragte in die Luft, ob ich das Brot geschnitten haben wolle. Ich gab alles und kiekste: „Drehen Sie sich bitte um!“ Dann konnte ich wenigstens zeigen, was ich wollte.
Was habe ich gelernt?
Ohne Sprache sind wir ausgeliefert – fast wie Kinder, die auf das Verständnis anderer angewiesen sind. Ich wünsche allen eine gesunde Stimme und allen, die mit Krankheit oder Einschränkungen leben, Menschen, die sich liebevoll kümmern. Niemand ist perfekt. Jeder kann krank werden.

Ich bin dankbar, dass ich wieder sprechen kann. Dankbar, dass ich meine Sinne wieder beisammen habe. Und ich nehme etwas mit aus dieser Woche: mehr Sensibilität für das, was uns sprachlos macht – und für das, was zwischen den Zeilen liegt.

Vielleicht wird daraus einmal eine Kurzgeschichte.
Denn genau das ist die Aufgabe einer Autorin: hinsehen, fühlen – und sich merken, was andere übersehen.